‘Die religiösen Herausforderungen von Heute – die benediktinische Anwort’

Drei Aspekte: Beobachten – Beurteilen – Handeln

Das Gebet des Oblaten in einer pluralistischen Welt

Seit einigen Jahren können wir sehen, dass sich das `Panorama` der Welt in allen Bereichen radikal verändert. Dies ist ein riesiges Phänomen, dass `live` passiert, wie gesagt, vor unseren verwunderten und besorgten Augen.
Angetrieben auf der einen Seite durch die außerordentliche technische und naturwissenschaftliche Entwicklung und durch die Kommunikationsmittel und, auf der anderen Seite, durch zunehmende weltweite Ungerechtigkeit und Gewalt, vollzieht sich die größte Bevölkerungsmigration der Geschichte. Von den weit verstreuten Dörfern der Dritten und Vierten Welt, von Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa gibt es einen anhaltenden Immigrationsstrom nach Westen, Menschen, die versuchen dem Hunger und der Armut zu entfliehen und auf der Suche nach einem menschenwürdigeren Leben. Und Millionen von Flüchtlingen fließen in die demokratischen Länder, auf der Flucht vor Diktatur, Verfolgung und Tod. Zur gleichen Zeit bringt der Massentourismus einen zunehmenden in die entgegengesetzte Richtung gehenden Strom von Menschen zu den entlegendsten Ecken dieser Erde. Dies hat oft zerstörende grundlegende Veränderungen der kulturellen, physischen und spirituellen Umgebung der besuchten Orte zur Folge.
So sehen wir, wie sich Moscheen neben Kirchen erheben und Buddhistische Tempel im Schatten von Glockentürmen, sowie ein Hindutempel neben einer Synagoge. Gesellschaften werden zunehmend multi-ethnisch, multikulturell und multi-religiös. Daraus resultiert, das auch das Christentum herausgefordert wird, sich dieser neuen Situation gegenüber zu öffnen, die auch den `anderen` beinhaltet, der früher weit weg war und jetzt auf derselben Etage wohnt. Dies ist eine Gegenwart, die sich bemerkbar macht in dem Gebet, das Jesus selbst uns gelehrt hat, im “Vater unser”. Aus diesem Grund müssen wir uns heute vor allem fragen “Wen schließen wir in dieses `unser` mit ein? Wer ist unser Nachbar, oder, besser, wessen Nachbar bin ich?”
Ein `Nachbar`, der sich am Anfang des dritten Jahrtausends ausstreckt, um alle einzuschließen: alle Lebewesen und alles Leben auf der Erde, das bedroht ist durch die Umweltkrise, die einen dramatischen Schatten auf geradezu die Menschheitsgeschichte selbst wirft.

Beurteilen im Licht des Evangeliums, der Regel des Heilgen Benedikt und des Zweiten Vatikanschen Konzils

In der Interaktion zwischen dem Blick, mit dem ich den “Fremden” beobachte, und dem, mit dem mich der Einwanderer beobachtet, sind wir alle vor allem dazu aufgerufen, Gottes Vorhaben in diesem Augenblick der Geschichte zu erkennen, in dem wir leben. Wir sind herausgefordert, zu sehen, ob unsere Einstellung übereinstimmt mit dem Grundsatz des Evenageliums von der universalen Brüderlichkeit, die die gesamte Menschheit umfasst, und alle Lebewesen, oder zu sehen, ob wir beeinflusst werden von der Kultur des “Aufeinanderprallens der Zivilisationen”, von einem fremdenfeindlichen und ausgrenzenden Geist, der unterschiedliche Kulturen, Rassen und Religionen gegeneinander setzt.
Das ist eine Beurteilung, die eine entscheidende Wahl beinhaltet: zwischen einerseits dem interkulturellen und interreligiösen Dialog, um eine neue Ära zu eröffnen, in der die Bedingungen geschaffen werden können, die es der menschlichen Rasse ermöglichen, schließlich eine Menschheitsfamilie zu werden, und, andererseits der Apartheid wobei die meisten Lebewesen der menschlichen Rasse in geschlossen Ghettos leben, als Folge des Versagens des Multikulturalismus.
Für Männer und Frauen guten Willens, aber insbesondere für Christen und Oblaten (von denen viele bereits Multikulturalismus in den Klöstern leben, mit denen sie verbunden sind) besteht die einzige Möglichkeit darin, sich dem Weg der Versöhnung und der Annahme von Unterschieden zu öffnen. Das ist der Weg des Wachsens, sicherlich alles andere als einfach, der verlangt, ein heroisches Maß an Menschlichkeit zu praktizieren. Diese Menschlichkeit hilft uns, uns selbst nicht als das Wichtigste im Universum zu sehen. Diese Menschlichkeit allein wird uns in die Lage versetzen, mit Verständnis die Gaben willkommen zu heißen, die der `andere`, wie wir, von Gott empfangen hat.

Handeln in Treue zu Christus, zum Heiligen Benedikt und gegenüber den Zeichen der Zeit

Und nun, was können wir tun, um Brücken zu bauen und Mauern aufzubrechen?
Es ist nicht genug, eine christliche Vorstellung von dem `Anderen` zu haben. Es ist notwendig, ständig mitzugestalten, in Verbindung mit einer ausgeprägten Bestimmung, fähig zu sein, als Jünger Jesu und als Mitglied der großen benediktinischen Familie zu denken. Wir müssen unser Gedächnis von jener Stammesmentalität und jenen nationalistischen Reflexen befreien, die manchen Leuten, wir selbst eingeschlossen, ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Kulturen und Religionen gegeben haben. Aus diesem Grund müssen wir eine tiefe Sympathie wieder gewinnen, die uns in die Lage versetzt, den anderen als Bruder und Schwester zu erkennen, mit dem wir die “Fünfte Ära” beginnen, die Ära eines authentischen und tief ökumenischen, interreligiösen und interkulturellen Dialogs. Das ist das anspruchsvolle Ziel, das sich der Kongress – mit Gottes Hilfe – setzt; genauer gesagt, ist es das Ziel, unter den Oblaten das Wachstum eines neuen Bewusstseins anzuregen, dass sie, in gewisser Weise, in die Lage versetzt, aktive Mitglieder in der großen Bewegung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zu werden, die die christlichen Kirchen im Jahr 1989 in Basel gestartet haben – eine Welt des Teilens, eine Welt der gegenseitigen Befruchtung, eine Welt, die sich der Liebe Gottes zuwenden wird. Wir müssen, so, eine “Zivilisation der Liebe” aufbauen, wie es von Papst Paul VI. proklamiert wurde. Das Bild, das dadurch ins Gedächtnis gerufen wird, ist das des Barmherzigen Samariters, der in dem verletzten Menschen nur einen Menschen wie sich selber sieht, ohne jegliche religiöse, politische oder ethnische Etiketten.

Diese Vison enthält den `Traum` und den Wunsch, dass sich Benediktineroblaten, ausgehend vom Zweiten Kongress in Rom, gemeinsam auf den Weg des Dialogs mit der Welt machen können